Wie machen wir die Pflegeberufe attraktiv? (mit Katrin Alberding und Sandro Pé)

In der Pflegebranche kommen schon jetzt zehn freie Stellen auf eine Kandidatin - und bis 2030 werden 500.000 Fachkräfte fehlen. Was also können Pflegedienste und Plegeheime tun, um die begehrten Talente für sich zu gewinnen? Wie schaffen sie attraktive Job-Produkte? Woher soll der Fachkräfte-Nachwuchs kommen? Und wie schaffen wir es, die Pflege als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen, die uns alle angeht?

Darüber spricht Marius Luther in der ersten Folge von “Unentbehrlich” mit dem Altenpfleger Sandro Pé und Katrin Alberding, Mitgründerin des Pflege-Startups Kenbi.

Spoiler: Mehr Geld allein macht die Jobs nicht attraktiv. Ja, viele Pflegekräfte werden zu schlecht bezahlt für das, was sie leisten. Aber viel frustrierender, sagt Sandro Pé, sind die hausgemachten Probleme vieler Pflegedienste:

  • keine Wertschätzung für die Pflegefachkräfte

  • mangelhafte Führungskultur

  • schlecht organisierte Betriebe mit unberechenbaren Dienstplänen

Bei allem Frust und aller Kritik: Die Pflege ist ein hoch attraktiver Beruf mit einzigartigen Entwicklungschancen, sagt Sandro Pé - auch für Männer. Das komme zwischen all den Skandalgeschichten und Krisenberichten zu kurz.

Am Imagewandel für die Pflege arbeitet auch Kenbi-Gründerin Katrin Alberding - sie will den Beruf wieder attraktiv machen für die geschätzt 200.000 Fachkräfte, die sich andere Jobs gesucht haben. Im “Unentbehrlich”-Podcast erzählt Katrin Alberding,

  • wie sie eine neue Arbeitskultur in die Pflege bringt,

  • warum sich inzwischen ganze Teams bei Kenbi bewerben,

  • welche Rolle Technologie dabei spielt und

  • warum Fachkräfte aus dem Ausland unseren Pflegenotstand nicht lösen werden.

  • [00:00:00] Katrin Alberding: Es gibt über 200.000 Pflegekräfte, die gesagt haben, sie würden gerne wieder in den Job zurück, wenn er flexibler und besser wird, also die quittiert haben. Und das wollen wir natürlich erreichen, dass Leute, die auch schon ausgebildet sind und eigentlich mal ein Interesse an diesem Beruf hatten, den wieder aufnehmen.

    [00:00:15] Sandro Pé: Du bist einfach gefragt, so, du bist, du bist mega gefragt. Meine Frau, die ist zum Beispiel in Elternzeit, jetzt über ein Jahr und die sagt zu mir, Hey Sandro, weißt du, was mir fehlt, sag ich, ja, was denn? Ja mir fehlt die Altenpflege. Dann sage ich, ja? Dann sagt sie, ja, mir fehlt es, wieder für andere Menschen da zu sein. Es fehlt mir, wieder wichtig zu sein, es fehlt mir, wieder etwas für Menschen zu machen. Und da hab ich gedacht: Krass! Das ist eigentlich genau das, sage ich mal, ja, Gute an dem Beruf.

    [00:00:45] Marius Luther: Ja, mit dieser wahren Liebeserklärung an die Altenpflege heiße ich Euch herzlich willkommen zur ersten Folge "Unentbehrlich". Ich bin Marius Luther, einer der beiden Gründer des Karriereportals HeyJobs.de, und ich habe diesen Podcast gestartet, um Antworten zu finden auf die Frage - was können wir, wir alle gemeinsam, gegen den Fachkräftemangel in unserem Land tun? Und wir beginnen diese Podcast-Staffel mit den Pflegeberufen.

    [00:01:12] Marius Luther: Mich treibt hier, um ehrlich zu sein, eine ganz persönliche Frage. Meine Eltern sind heute noch fit, aber in zehn Jahren - wer weiß das schon? Und bekomme ich dann noch einen Pfleger oder eine Pflegerin? Warum mache ich mir da so Sorgen? Im Mai 2022 kommen auf zehn offene Stellen im Pflegebereich eine Pflegekraft, die nach einem neuen Job sucht. Und bis 2030 soll in Deutschland bis zu einer halbe Million Pflegekräfte fehlen.

    [00:01:39] Marius Luther: Wir müssen die Pflege also zu einem total attraktiven Beruf machen. Aber der Status quo? Wenn wir etwas über Altenpflege hören, dann hören wir oft über Skandale . Und zeichnet das eigentlich wirklich ein richtiges Bild? Dazu möchte ich heute sprechen mit einem meiner Gäste, der Altenpfleger Sandro Pé, seit Jahren eine der leidenschaftlichsten Stimmen aus der Pflege. Ich habe ihn gefragt - was geht eigentlich in dir vor, wenn du Fernsehen schaust und so eine Doku siehst, wo über die Missstände in der Pflege berichtet wird?

    [00:02:12] Sandro Pé: Du fühlst dich einfach scheiße. Du fühlst dich scheiße, weil du einfach denkst, du gehörst mit dazu, du bist auch eine Pflegekraft. Aber es ist nicht überall so, und ich arbeite nicht so, aber jeder kriegt das mit. Und wie du gerade gesagt hast - als Laie sitzt du da und denkst, ach du Kacke, meinste der Nachbar, die Pflegekraft von nebenan pflegt auch so? Müssen wir mal gucken gehen, wat die Mama und der Opa so macht? Und dann sag du mir jetzt mal wie soll ich motiviert zur Arbeit gehen? Wie soll ein junger Mensch, der das gerade gesehen hat, noch sagen, ey Mama, ich werd Pflegekraft? Ey Papa, ich will in die Krankenpflege, ich will in die Altenpflege? Die sagt doch direkt, hey, hast du den Bericht nicht gesehen, wie die Leute da behandelt werden und so weiter und so fort? Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn gar keiner mehr da ist.

    [00:02:57] Marius Luther: Soweit die Stimme von Sandro Pé. Ich habe auch einen zweiten Gast heute hier, und sie ist relativ neu in der Pflege. Katrin Alberding, laut Handelsblatt eine der 50 besten Gründerinnen Deutschlands. Sie hat Kenbi mitgegründet, einen mobilen Pflegedienst, der bundesweit arbeitet und inzwischen schon über 350 Mitarbeiterinnen hat.

    [00:03:18] Marius Luther: Und sie kommt ursprünglich aus dem Investmentbanking. Die Pflege ist also neu für sie, obwohl, ganz so neu dann doch nicht.

    [00:03:27] Katrin Alberding: Mein Bruder ist körperbehindert seit der Geburt und deshalb ist das Thema Pflege sehr akut bei uns und immer da gewesen in der Familie. Meine Eltern werden älter natürlich auch. Und dann kommt auch für mich die Frage: Okay, wie ist das denn, wenn die jetzt an die 80 rangehen und mein Bruder mehr Hilfe braucht? Gleichzeitig habe ich mich auch viel auseinandergesetzt dann mit Organizational Culture, also wie sieht das aus, wie können Leute produktiv und glücklich bei der Arbeit sein? Und irgendwie passte da so diese Idee mit der Pflege wie die Faust aufs Auge. Ich hab mir das einen Tag angeguckt und bin da rein getaucht, wie die Arbeitsbedingungen sind, und hab gesagt, da gibt es irgendwie 1000 Hebel, die man ziehen kann und muss. Das ganze Ding muss umgedacht werden, und vielleicht ist es genau richtig und gut, dass wir nicht aus der Pflege kommen, also beide nicht, und mal so ein bisschen naiv frischen Wind da reinbringen.

    [00:04:15] Katrin Alberding: Und ja, das hat eigentlich auch ganz gut getan, weil wir haben die Expertise der Pflegekräfte vor Ort, die uns die Pflegeseite beigebracht haben, mehr oder weniger, und wir haben jetzt die Business-Seite, also die Management-Seite, BWL-Seite, die wir mitbringen, von uns aus und haben das jetzt vereint in Kenbi.

    [00:04:29] Marius Luther: Mit dem HeyIndex von 0,1 - also ein Talent, was sucht, auf zehn offene Stellen - hat sich natürlich auch die Macht im Arbeitsmarkt komplett gedreht. Jetzt müssen Unternehmen um Talente buhlen. Und vielfach sehe ich aber noch das Gegenteil, dass Arbeitgeber irgendwie Mindestlohn bieten, nichts an der Wertschätzung für Talente ändern und sich dann wundern, dass einfach niemand mehr anklopft. Kenbi hingegen hat das ja verstanden und nutzt jetzt genau diese Einsicht als Wettbewerbsvorteil.

    [00:05:00] Katrin Alberding: Typischerweise sagt man immer, der Patient braucht dieses, der Patient braucht das, alles sehr verständlich, aber der Patient bekommt nichts, wenn man keine Pflegekraft hat, die das zur Verfügung stellen kann. Das heißt, wir haben auch unsere Positionierung in der Kommunikation und auch, wie wir den ganzen Betrieb ausgerichtet haben, nurse-centric gemacht, also mit Sicht auf den Pfleger als erstes. Bei uns ist auch einer der Werte Pflegekräfte an erster Stelle, weil nur wenn, wenn die Pflegekräfte glücklich sind und auch das ausüben können, was sie gelernt haben und was sie machen möchten, können wir die beste Pflege leisten.

    [00:05:31] Marius Luther: Das ist, glaube ich, genau das Umdenken. was im im Markt stattfinden muss, dass man sagt, der Kandidat oder also die Pflegekraft in dem Fall die behandle ich wie meinen Kunden.

    [00:05:43] Katrin Alberding: Genau.

    [00:05:43] Marius Luther: Dann sollten wir noch einmal mit einem dieser Kandidaten-Kunden sprechen. Mit einem der begehrten Talente. Sprechen wir also mit Sandro darüber, was ein Pflegedienst tun muss, um jemanden wie ihn zu gewinnen, aber auch zu halten. Und jetzt ein kleiner Spoiler: Das Geld ist gar nicht so wichtig, das kommt bei ihm erst auf Platz drei der Prioritäten. Auf Platz zwei etwas, was ich sehr oft höre: ein verlässlicher Dienstplan, der auch noch Platz für sowas wie Privatleben lässt.

    [00:06:11] Sandro Pé: Ich kenne das, dass der Dienstplan nie so bleibt, wie er ist. Wenn er denn geschrieben ist und da hängt der aus, der sieht, keine Ahnung, in fünf Minuten schon komplett anders aus. Und das ist immer das Schlimme, weil es ist für mich einfach ein Eingriff in die Privatsphäre. Es ist einfach nicht in Ordnung, wenn man daher geht und sagt, dein Dienstplan ist so, du planst alles mit deiner Familie, hast vielleicht sogar noch Geburtstag, und dann, bäm, kriegst du dann eventuell noch'n Teildienst rein. Teildienst heißt, von morgens bis abends bist du eigentlich nonstop am Arbeiten.

    [00:06:42] Marius Luther: Jetzt sind wir gespannt: Was kommt auf Platz eins? Und das, sagt Sandro, ist Wertschätzung. Und daran sagt Sandro selbst nach 11 Berufsjahren fehlt es viel zu oft.

    [00:06:54] Sandro Pé: In den meisten Einrichtungen oder auch Pflegediensten ist die Wertschätzung nicht da und die Wertschätzung meines Erachtens kostet auch kein Geld. So ein "Danke, hey Sandro, coole Arbeit ,die du geleistet hast!" So. Einfach die ganz, ganz kleinen Dinge wirken manchmal bei den Mitarbeitern oder Pflegekräften einfach. Da spielt Geld keine Rolle, klar muss man seine Sachen bezahlen und klar ist geld immer gut , aber wie oft habe ich auch mitbekommen, dass Pflegekräfte einfach nur Anerkennung und Wertschätzung wollen Teilweise sehen viele Pflegekräfte und was ich mitbekommen habe ihre Vorgesetzten nicht, ja, die sind dann in ihrem Büro. Die schreiben dann den Dienstplan. Und der Mitarbeiter bekommt die gar nicht zu sehen. So und wo ich mich immer gefragt habe, wie dämlich ist das eigentlich? Weil, ich war ja dann auch ein Jahr lang Vorgesetzter, also Stationsleitung, und ich habe mich so gut mit denen verstanden. Und die haben, die kamen von selber zu mir und haben gesagt, Sandro, kann ich, kann ich einspringen, kann ich dich irgendwo unterstützen, brauchst du noch was, soll ich ne Stunde länger bleiben? Wo ich da gesagt habt, nee, du gehst jetzt heim, du hast jetzt Feierabend, es ist Schluss!

    [00:08:01] Marius Luther: Hier merkt man: Es wird richtig emotional. Hier entstehen die magischen Momente bei der Arbeit, im positiven, aber auch eben im negativen Sinne. Sandro geht es um Kultur, um Führungskultur. Hier eine wirklich bessere Arbeitsumgebung zu schaffen, ist echt harte Arbeit. Es braucht Kulturwandel. Aber wenn der klappt, dann kann es der entscheidende Vorteil im Gewinnen und Halten von unentbehrlichen Talenten sein.

    [00:08:28] Marius Luther: Mit diesen drei Anforderungen, die uns Sandro genannt hat - Geld, verlässlicher Dienstplan, Wertschätzung - bin ich zu Katrin gegangen und hab sie gefragt: Sehen das Arbeitgeber genauso?

    [00:08:39] Katrin Alberding: Ja. In dem Sinne finde ich das immer sehr ärgerlich, dass direkt die Diskussion mit dem Gehalt anfängt und da auch aufhört, weil das ist so ein Bruchteil von dieser Diskussion, die stattfinden muss. Warum Pflegekräfte bei uns sind? Wir haben tatsächlich einmal eine Umfrage gemacht, da war auch Gehalt bei, da war bessere Arbeitsbedingungen, flexiblere Arbeitsbedingungen. Da war "es ist mal was Neues" dabei. Und das waren auch tatsächlich die Gründe, warum Leute zu uns gekommen sind. Sie wollten was Neues haben, sie wollten die Chance haben, die Pflege mit zu revolutionieren, umzudenken, was ganz Neues aufzubauen, das war so der Trigger, viel ist auch weil Freunde bei uns arbeiten, die das dann empfohlen haben, es kommen ganz viele durch Empfehlungen zu uns.

    [00:09:16] Marius Luther: Ist das Euer Nummer-Eins-Recruiting-Kanal?

    [00:09:19] Katrin Alberding: Tatsächlich ja. Also wir sind bei je nachdem, wenn man uns schon kennt, dann geht das immer höher mit den Empfehlungen. Zu Beginn ist es bei ungefähr 65 % der Leute, die in so einem Team sind, kommen durch Empfehlungen, und wenn wir dann etablierter sind, dann kommen wir auch mal bei 85 an, dass wir da gar nicht mehr so viel schalten müssen, sondern dass sich das rumspricht.

    [00:09:40] Marius Luther: Das sind ja wirklich starke Zahlen, die Katrin hier nennt. Daher habe ich mich gefragt: Was ist es denn genau, was Arbeitgeber jetzt tun können, damit sich das herumspricht wie bei Kenbi. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

    [00:09:53] Katrin Alberding: Also die möchten mehr Flexibilität bei der Arbeit, wenn man sich das anschaut bei uns die Statistiken: Wir haben 90 % unserer Pflegekräfte insgesamt sind Frauen, viele davon haben Kinder, über die Hälfte haben Kinder, einige davon sind auch alleinerziehend. Da ist es schwierig, dann um sechs Uhr morgens beim Kunden zu sein, das heißt, wir haben flexible Touren unter anderem, die dann auch auffangen, dass jemand erst um acht Uhr anfangen kann, dass das möglich ist.

    [00:10:16] Katrin Alberding: Das zweite ist die Mitbestimmung, das Mitbestimmungsrecht und das dritte ist, glaube ich auch viel an so ner Veränderungen teilzuhaben. Also ein Beispiel ist: Eine Pflegekraft kam zu uns schon ziemlich zu Anfang und sagte, ich möchte seit zehn Jahren ein Therapiepony, ein Pflegepony haben und und einsetzen und ich konnte das nie machen. Hättet ihr Interesse daran? Die kam mit einem ganzen Plan und ein ganzes Blatt dazu, wie sie das umsetzen würde, und wir haben das Blatt 30 Sekunden angeguckt und haben gesagt: Go for it, ja, mach das. Und wir haben ein Pflegepony, Murmel heißt die, und das sind halt so, ist eine von vielen Ideen, die Leute nach vorne bringen und sagen, das wollte ich schon immer machen, das ging vorher nicht. Also die haben da kein Gehör für bekommen. Die die Kassen zahlen dafür nicht, dann war's ein nein am Ende.

    [00:11:01] Katrin Alberding: Wir bieten viel mehr darum herum an, also um das Gehalt, drum rum. Wir haben eine Altersvorsorge, wir haben Value-Punkte, die vergeben werden, wir haben den Urlaub ausgebaut übergesetzlich, man darf die Autos privat nutzen, wir haben tolle Uniformen, die man sich aussuchen kann, das mag so ein kleiner Punkt sein, aber es ist ganz bunt und ganz fröhlich, nicht so morbide, wie oft Pflegedienste rumkommen. Also das Ganze ist darauf ausgerichtet, von der Benefits-Seite mehr Spaß zu machen. Und auf der anderen Seite haben wir aber auch eine ganz andere, einen ganz anderen Kulturansatz des Selbstmanagements.

    [00:11:34] Marius Luther: Bei Benefits hören wir immer wieder, dass klare konkrete Aussagen die Bewerber anziehen. Nicht schwammig von modernen Arbeitsbedingungen sprechen, sondern die Werkzeug-Marke zum Beispiel im Handwerk nennen, mit der gearbeitet wird, so konkret muss man sein. Was ich aber immer noch schwierig finde, ist, wie man das schafft, diese weichen kulturellen Faktoren, die Mitbestimmung, dieses Teilhaben an Veränderungen, das schon in der Stellenanzeige zu zeigen. Sodass Leute dann sehen: Ah, dieser Arbeitgeber ist wirklich anders. Der ist echt gut, da möchte ich arbeiten.

    [00:12:12] Katrin Alberding: Im Stellenprofil selber beschreiben wir tatsächlich auch, dass unsere differenzierten Angebote sind das Digitale und das Moderne, die moderne Kultur. Wir beschreiben die auch so - "Du kannst mitbestimmen". Ich glaube auch, dass man visuell das schon sehr schnell kommunizieren kann wir haben uns die ganzen Pflegedienste vorher angeschaut. Die heißen "Schwester Ines" und "Haus-Krankenpflege", also das ist immer kranker Patient und gesunder Pfleger, und das ist sehr bevormundend, irgendwie auf eine Art und Weise und das haben wir alles versucht rauszunehmen. Wir nutzen auch immer das Du mit unseren Pflegern und Sie mit unseren Patienten also, und eigentlich sagen wir auch nicht gerne Patienten, nur ist es schwierig, gefunden zu werden, online, ohne das zu sagen, aber wir sagen eigentlich bei uns im Kontext immer "Kunden".

    [00:12:55] Katrin Alberding: Also ich glaube, der Ton macht es. Ich glaub, das Visuelle macht es da wirklich. Wir sind sehr bunt, wir sind sehr fröhlich in in der Kommunikation, wir heißen nicht Haus-Krankenpflege, sondern Kenbi, was schon mal auch stutzig macht, glaube ich, und dann ist natürlich der der letzte Teil, vielleicht auch der Inhalt, der dann hoffentlich auch gelesen wird, aber wo wir auch beschreiben, wie wir anders sind.

    [00:13:16] Marius Luther: Wenn wir Pflegekräfte-Kunden gewinnen wollen, brauchen wir ein richtig gutes, differenziertes Job-Produkt. Und genau das hat Katrin bei Kenbi geschaffen, aber jetzt muss das Produkt ja auch noch von der Zielgruppe gesehen werden. Daher habe ich Katrin gefragt. Was für Kanäle nutzt ihr denn im Recruiting? Wie geht Ihr da vor?

    [00:13:37] Katrin Alberding: Bei den Pflegern ist es wirklich online. Facebook läuft sehr gut, gerade auch, weil es Pflegegruppen dort gibt, innerhalb von Facebook und das noch sehr aktiv genutzt wird, um sich auch rund um die Pflege und auch lokal auszutauschen. Dazu zu sagen ist wahrscheinlich auch noch, dass wir sehr ländlich unterwegs sind, und dass auch gerade da dann solche solche Kommunikation gerade darüber läuft mit HeyJobs haben wir dann immer sehr gut geschaltet und und sehr gut Aufmerksamkeit bekommen.

    [00:14:05] Katrin Alberding: Dann kam manchmal eine Person. Mittlerweile kommen auch ganze Teams, die sich melden und sagen: Hey, wir finden das Konzept gut, wir möchten gerne für euch was aufbauen, können wir noch etwas aufmachen mit euch für euch, und das haben auch schon paar mal so angestoßen. Das sind tolle Teams, die dann schon wirklich so als Fertigpaket eigentlich kommen und Lust haben auf die Sache.

    [00:14:22] Marius Luther: Und dann hatten wir eben schon gesagt, wahrscheinlich je größer du wirst und je mehr neue Leute du drin hast, umso besser funktioniert auch das "Mitarbeiter werben Mitarbeiter".

    [00:14:32] Katrin Alberding: Total.

    [00:14:32] Marius Luther: Incentiviert ihr das auch?

    [00:14:34] Katrin Alberding: Komischerweise haben wir das versucht und es hat überhaupt keinen Unterschied gemacht. Das was den Unterschied gemacht hat, ist wirklich Veränderung zu zeigen im Alltag. Also wir haben damals 1000 € angeboten für, wenn du, wenn du jemanden mitbringst. Kam gar nichts. Dann haben wir, zwei Wochen waren wir in der Operativen, haben Sachen geändert, Sachen neu angestoßen, und auf einmal kannte dann doch jeder jemanden, den sie gerne mitbringen wollten.

    [00:14:55] Marius Luther: Nach diesen Veränderungen.

    [00:14:55] Katrin Alberding: Nach diesen Veränderungen, und wir haben das wieder abgesagt diese diese Belohnung dafür. Ist vielleicht auch der falsche Beweggrund, weil am Ende der größere Beweggrund ist, dass wir immer maximal 12 Leute pro Team haben und dass es ja im Interesse der Teammitglieder ist, tolle Menschen in diesem Team zu haben, auf die man sich verlassen kann, die, die sich gegenseitig den Rücken stärken und auch einspringen, wenn jemand mal ausfällt. Und das ist eigentlich ein großes Eigeninteresse, mit Leuten zu arbeiten, die man, mit denen man gerne arbeitet, ne, und die man vielleicht auch kennt schon vorher und wo man weiß, dass man gut miteinander arbeiten kann.

    [00:15:26] Marius Luther: Das Wichtigste ist das Job-Produkt. Wenn das stimmt, gelingt auch das Recruiting.

    [00:15:31] Sandro Pé: Man muss nicht Riesen-Kampagnen starten, sondern man muss einfach zu seinen Mitarbeitern gut sein. Eigentlich ist der Mitarbeiter dein bestes Aushängeschild. Wenn du zu deinem Mitarbeiter gut bist - der redet ja. So, und so würdest du wachsen und das wäre mein Konzept, was ich machen würde. Ich würde mit dem ersten gut umgehen, mit dem zweiten, mit dem dritten, mit dem vierten. Und so wächst dein Unternehmen und so wächst auch diese Freude und Leidenschaft an dem Beruf, und das würde ich jedem an die Hand geben,

    [00:15:59] Marius Luther: Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Was ist denn nun mit dem Geld? Seit Jahren hören wir doch, dass die Pflege zu schlecht bezahlt wird und dass sie genau deswegen keine Leute findet. Aber ist das wirklich so?

    [00:16:12] Sandro Pé: Oftmals und das muss man auch sagen, ist die Bezahlung nicht immer schlecht. Das muss man auch erwähnen. Man pauschalisiert es immer und das ist auch das schlimme so in der Pflege. Es ist fast überall anders, in jedem Bundesland.

    [00:16:25] Marius Luther: Als ich mit Sandro gesprochen habe, hat er mir auch gesagt: Es geht nicht nur darum, was die einzelne Pflegekraft verdient. Ihm geht es mehr darum, ob insgesamt genug Geld da ist und wofür. Stimmt der Personalschlüssel? Gibt es genug Pflegekräfte? Haben sie genug Zeit für die kleinen Dinge, sei es nur mal ein Eis essen zu gehen mit den Patienten. Und auch im Gespräch mit Katrin kam raus, dass sie sich eine ganz andere Debatte wünscht über das Geld in der Pflege.

    [00:16:51] Katrin Alberding: Das Gehalt soll nie der Grund sein warum Leute kommen oder gehen, das sollte nie dieser Haupttreiber sein. Das sollte im komfortabelsten wertschätzendes und natürlich ein akkurates und korrektes sinnvolles Gehalt sein für die Leistung. Wir müssen das natürlich auch immer abstecken, was geben uns die Pflegekassen dafür überhaupt? Natürlich muss das gedeckt sein, irgendwo, aber es ist wirklich nicht der der treibende Grund, warum Leute kommen oder gehen. Die kommen oder gehen wegen der Kultur, wegen den Arbeitsaufgaben, wegen der, wegen der Atmosphäre wo sie sind, wegen der Freude an der Arbeit. Das ist auch der Grund, warum Leute diesen Job wählen. Sie wählen den, weil sie anderen helfen möchten. Wenn man fragt, wie bist du in die Pflege gekommen, sind das oft Leute, die aus der Familie schon den Pflegeberuf kennen, wo die Eltern schon was ähnliches gemacht haben, da mal rein geschnuppert haben und besonders viel Freude daran empfinden, an diesen Kontakt mit dem Patienten. Geld löst das das Strukturproblem, was wir in der Pflege haben, halt auch nicht, wenn man es nicht einsetzt, um die Struktur zu ändern. Also nur da Geld rein zu werfen bringt nichts. Und wie gesagt, das andere ist auch, man ist sehr schnell damit, wirklich eins zu eins diese Gehälter nach Stundenlohn zu vergleichen, guckt dann aber nicht, was gibt, gibt es dann noch Betriebsrente, kümmert sich der Betrieb noch irgendwie anders um die Mitarbeiter? Dadurch, dass wir uns so auf dieses Monatsgehalt die ganze Zeit oder Stundengehalt fokussieren, finde ich, geht das so verloren, was sich eigentlich ändern muss in der Pflege, und das ärgert mich an dieser Diskussion so. Ich find sie so unfruchtbar so, es ist so gar nicht produktiv, es geht immer nur um eine Zahl, aber nicht um das, was das macht im Alltagsleben, für die Pfleger und und mit den Pflegern. Ja, es ist vollkommen klar, dass das ein gutes Gehalt und faires Gehalt sein muss und ich glaube, da kommen wir auch hin in der Politik, jetzt mit den ganzen. Wir haben jetzt diese Pflegereform, die im September dann auch einschlägt, die Minimum Löhne sind jetzt klar kommuniziert worden.

    [00:18:34] Katrin Alberding: Ein anderer Punkt, den ich total wichtig finde, ist die Transparenz rund um das Gehalt wir haben den ersten Pflegedienst aufgekauft, da haben wir erstmal bei manchen Leuten die Gehälter zwischen fünf und 20 Prozent, war die höchste Erhöhung, die wir gemacht haben, angehoben.

    [00:18:47] Marius Luther: Musstet Ihr sie auch verringern irgendwo?

    [00:18:48] Katrin Alberding: Nee, das darfst du auch gar nicht, nee, aber wir haben nicht verringert und und weil, wie kommt das, weil Die haben alle andere Gehälter bekommen, auch wenn die die gleiche Ausbildung hatten und gleiche Erfahrung hatten, das war einfach nur: wer hatte besser verhandelt, oder wer war zu einem Zeitpunkt in den Betrieb eingestiegen, wo vielleicht ein besonders hoher Mangel und Druck war, so dass man den alles angeboten hat, und am Ende bekam das Konstrukt raus, was nicht vergleichbar und total unfair ist eigentlich, und was glaub ich auch unheimlich demotiviert, wenn man irgendwann rausfindet, die Person neben mir, die vielleicht auch noch weniger Erfahrung hat Bekommt jetzt mehr weil die zum günstigeren Zeitpunkt reingekommen ist. Das heißt, wir haben erstmal Gehaltstabellen angelegt und teilen die mit allen. Wir haben einen Gehaltsrechner, die jeder bekommt, kann jeder nachsehen, ich hab die und die Ausbildung, ich hab die und die Erfahrung - was bekomme ich bei Kenbi?

    [00:19:32] Marius Luther: Das haben wir bei HeyJobs übrigens genau gleich umgesetzt, weil ich glaube, das entscheidende, oder mit wem sich Leute vergleichen ist im Unternehmen mit Menschen, die ähnliche Tätigkeiten machen. Ob irgendjemand in der anderen Stadt, in Deutschland für irgendeinen anderen Job was anderes bekommt, sehe ich im ersten Schritt nicht so. und ich glaube, dass diese diese Fairness auch dazu führt, zum Beispiel diesen Gender pay Gap zumindest im Startup-Umfeld zu lösen, weil es halt nicht mehr um individuelle Verhandlungs-Skills geht und Power-Games, sondern es geht darum wie habe ich performt, auf welchem Level bin ich, welche Verantwortung übernehme ich und dann werde ich auch gleich bezahlt.

    [00:20:09] Katrin Alberding: Genau.

    [00:20:10] Marius Luther: Jetzt haben wir schon echt viel gehört, wie wir die knappen Talente, die es in Deutschland noch gibt, als Arbeitgeber gewinnen können und auch begeistern können. Das alles beantwortet aber noch nicht die Frage: Wenn in 2030 wirklich eine halbe Million Pflegekräfte fehlen - wo kommt denn der Nachwuchs her? Politiker schauen da gern ins Ausland, machen Fototermine in Mexiko und den Philippinen und eröffnen da Schulen, die Pflegekräfte ausbilden sollen. Aber reicht das wirklich und klappt das eigentlich in der Praxis? eingehen

    [00:20:43] Katrin Alberding: das Ausland. Also . Es gibt dieses Triple Win Programm zum Beispiel von der Bundesregierung, was dafür ausgesetzt ist, dass wirklich ausländische Kräfte reinkommen, ausgebildet werden, das relativ schnell geht, dass diese Umschreibung passieren kann von der Ausbildung, die sie vor Ort gehabt haben, und dann die Sprachausbildung bekommen und dann halt rüber gezogen werden.

    [00:21:03] Katrin Alberding: Es gibt auch ganz viele Agenturen, die sowas anbieten, zu begleiten, die fokussieren sich meistens auf gewisse Länder. Es ist extrem kostspielig. Es ist extrem langwierig und es eignet sich nicht besonders gut für die ambulante Pflege.

    [00:21:16] Katrin Alberding: Warum ist das so? Also einmal das Langwierige ist die Sprache. Die brauchen wirklich lange, bis sie auf ein Level kommen. ist wichtig, Wenn man mit Patienten spricht, die teilweise dement sind. Dann muss man verstehen, was die Person sagt, und auch verstanden werden. Das andere ist die Umschreibung der Qualifikationen. Das dauert sehr lange, ist einfach ein riesen bürokratischer Akt, das nächste ist das Visum natürlich

    [00:21:38] Katrin Alberding: Dann das nächste ist kulturelle Anpassung, dass jemand reinkommt und sich auch wohlfühlt. Wir sind sehr auf dem Land, das ist nicht so leicht. Meist sollte man dann mehrere Leute miteinander platzieren, dass sie wirklich Anschluss finden und nicht ganz so lost sind dann. Das nächste bei uns ist auch noch der Führerschein. Wir brauchen Führerschein für die ambulante Pflege, so dass Leute unabhängig rausfahren können, die fahren alleine zum Patienten. Das sind einfach unglaublich viele Hürden.

    Was geklappt hat in der Vergangenheit war, dass Leute in der stationären Pflege untergebracht werden oder in Krankenhäusern untergebracht werden aus dem Ausland. Das klappt ein bisschen besser, weil dort natürlich auch immer wieder Ansprechpartner sind und man ist nicht so im Alleingang unterwegs.

    [00:22:18] Katrin Alberding: Wir möchten das sehr gerne machen und ausweiten. Vor allem jetzt mit Blick auch auf die Ukraine. Und jetzt stehen wir natürlich davor: Wie bringen wir denen die Sprache bei? Wie kriegen wir die Umschreibung hin und all das? Das ist noch ein Riesenmonstrum und sehr, sehr kostspielig, wie gesagt.

    [00:22:31] Marius Luther: Also zusammengefasst. Der Wille ist da, aber in der Praxis gar nicht so einfach. Daher habe ich Katrin gefragt: Gibt es nicht noch irgendwelche anderen Talent-Pools, die man aufmachen könnte?

    [00:22:42] Katrin Alberding: Es gibt über 200.000 Pflegekräfte, die gesagt haben, sie würden gerne wieder in den Job zurück, wenn er flexibler und besser wird, also die quittiert haben. Und das wollen wir natürlich erreichen, dass Leute, die auch schon ausgebildet sind und eigentlich mal ein Interesse an diesem Beruf hatten, den wieder aufnehmen und wieder zurückkommen können, gerade auch Mütter wieder zurückkommen können, diese Flexibilität finden, sodass sie da wieder alle arbeiten können.

    [00:23:03] Marius Luther: Wir sprechen immer viel über Diversity und und oft auch über Männer und Frauen in in der Berufswelt. Ich glaube, bei euch dominieren Frauen. Wieviel Prozent Frauen?

    [00:23:13] Katrin Alberding: 90 % in der Pflege und gesamtheitlich, in ganz Kenbi, 80 % Frauen, nur auf der Pflegeseite tatsächlich 90.

    [00:23:20] Marius Luther: Wenn wir darüber nachdenken, wir haben ja vorhin über Talent Pools gesprochen, dann wären ja eigentlich Männer auch noch ein guter Talentpool, wenn man die begeistern könnte für dieses Berufsbild. Gibt es da Strategien, die Ihr habt, um zu sagen, so könnten wir die anlocken?

    [00:23:35] Katrin Alberding: Ja, also eine gute Strategie ist tatsächlich wieder die Empfehlung. Also wir haben oft Männer, die kommen durch Empfehlung von Männern, die schon bei uns sind. Das ist eine große Sache. Ich gab es bedarf auch noch wirklich viel, viel Aufklärung, so also der soziale Druck ist halt so wahnsinnig hoch das den Männern gesagt wird, hey, das ist doch kein Job für euch, und wir machen Onboarding jetzt mittlerweile ein sehr aufwändiges von zwei Wochen, da sprechen wir auch über diese Themen und sagen auch: Leute, wenn ihr irgendwie Feedback bekommt jetzt von Patienten, dass Ihr da nicht erwünscht seid, aus welchem Grund auch immer, dann bitte das melden und und wie geht das bei uns, dass wir darüber reden, dass wir mit dem Patienten reden und auch so ein bisschen Aufklär-Arbeit da machen. also Das zwingen wir natürlich nicht auf, aber für so Sachen, wo es wirklich jetzt nicht um Intimpflege geht oder so, dass wir dann die Männer auch vorstellen und wirklich dann mitbringen durch eine bekannte Pflegekraft, die schon ist.

    [00:24:29] Katrin Alberding: Das funktioniert auch immer sehr gut, wir haben auch tatsächlich Männer-Touren, dass Männer Männer pflegen auch, und dass sie in Touren eingeteilt werden, wo wir natürlich mit den Patienten auch abgesprochen haben, dass da ein männlicher Pfleger kommt, aber das ist also viel ist, glaube ich, Aufklärarbeit dort. Es ist aber auf jeden Fall sehr wertvoll, und da geht uns ganz viel flöten dadurch, dass wir in diesem großen Pool eigentlich gar nicht voll rein greifen können. .

    [00:24:54] Marius Luther: Wir haben also gelernt: Es gibt Talent-Pools, aber was wir unbedingt machen müssen, ist, diesen Beruf attraktiv machen. Und einer der Aspekte dort ist, dass man in fast keinem Beruf so viel lernen kann. Das hat uns Sandro erklärt. Und auch Katrin findet: Das muss man im Recruiting hervorheben.

    [00:25:12] Katrin Alberding: Da gibt es auch sehr viel, was man machen kann, und das wird leider sehr vernachlässigt, vor allem auch im unausgebildeten Bereich. Wir haben verschiedene Positionen, die man bei uns einnehmen kann, also Rollen, die man einnehmen kann. Das fängt an mit unausgebildeten Kräften, die als Alltagshelfer anfangen, die Betreuung machen, oder Hauswirtschaft, dann haben wir Pflegehelfer. Dann gibt es die Assistenz. Und dann gibt es halt die Pflegefachkraft, die drei Jahre Ausbildung haben. Und darüber hinaus gibt es dann auch noch Weiterbildung in bestimmten Bereichen, also als Pflegefachkraft kann ich Weiterbildung in Palliativ machen, in Diabetes, in Schmerztherapie, in Wundbehandlung. Solche Sachen, also wirklich noch tiefer rein gehen auch in die Praxisanleitung, das sind die Leute, die die Azubis neu anleiten und begleiten in ihren Touren. Und jedes Team braucht eigentlich eine Pflegedienstleitung, die sich dann auch in der Planung etcetera auskennt . Das sind 460 Stunden Extra-Ausbildung noch auf die Pflegefachkraft obendrauf. Und bei uns gibt es dann noch die Coaches, also wir haben ja Coaches, die die Teams betreuen, die immer regional aktiv sind, mehrere Teams betreuen im Bereich Selbstmanagement, was ja unser Steckenpferd ist in in der Teamorganisation.

    Also, das sind erst mal so breit gefächert alle Positionrn, die man einnehmen kann bei uns und auch für die wir ausbilden. Bis auf die Pflegefachkraft, das machen wir in Kollaboration mit Schulen, weil das ist ein examinierter Kurs. Oben drauf, um diese. Ausbildung jetzt voranzutreiben, haben wir auch einen E-Campus gebaut und haben Schulen vor Ort. Also da gibt es ganz viele Varianten, wo man hin kann. Wir haben jetzt auch einen Besuchshundekurs den ersten durch, so dass Leute Besuchshunde mitnehmen können zu Patienten, die vielleicht mal Tiere hatten und die jetzt nicht mehr haben können. Das ist alles unheimlich bereichernd, weil man da viel mehr mitbringen kann und sich auch selber weiterentwickelt.

    [00:26:58] Marius Luther: Wenn ich Sandro und Katrin so zuhöre, dann kommt mir das manchmal vor wie Geschichten aus zwei unterschiedlichen Welten. Dann frage ich mich: Warum läuft es eigentlich in einem Pflegedienst so gut und im anderen so schlecht? Die arbeiten doch im selben System. Die bekommen doch das gleiche Geld. Also wo ist der Unterschied?

    [00:27:15] Katrin Alberding: Ich glaube, viel hat damit zu tun mit Größe und das andere mit Digitalisierung. Neben der Kultur, die wir anders versuchen aufzubauen, durch die selbstbestimmten Teams und diese kleineren Teams, investieren wir wahnsinnig viel in die Digitalisierung und in eigene Apps. Da geht es wirklich genau darum, Zeit zu schaffen für die Pflegekräfte, so dass sie weniger Zeit mit dem ganzen Papierkram verbringen und schneller mit dem Mobiltelefon mal eben abklicken können, was sie gemacht haben. Vielleicht als Beispiel, wenn einer auf die Tour fährt, dann musste man erst mal ein Fahrtenbuch ausfüllen, das ging schriftlich, das haben wir schon digitalisiert. Da einmal abklicken "ich fahr los" und dann macht das Gerät den Rest. Medikamenten einlesen, musste alles abgetippt werden, kannst du jetzt scannen und direkt einfügen in die Software. Dann kommst du zum Patienten, machst die Pflege und dann setzt du dich nochmal im Nebenraum oder in den Raum und und schreibst auf, das war damals gelbes Papier und Bleistift, auf, was du gemacht hast mit dem Patienten, das wird dann abgetippt, hinterher in das System eingepflegt, dann wird die Rechnung an die Kasse dazu geschrieben, total irre. da war dann auch mal irgendwie so eine Akte verschwunden, oder so ein Papier weg, oder oder wer hat jetzt das papier, oder man konnte die Schrift nicht lesen, das fand ich viel viel kritischer, als was in nem System zu haben, was voll abgesichert ist und und greifbar ist wenn man es dann auch braucht.

    [00:28:32] Marius Luther: Die Übergabe funktioniert viel besser zwischen den Pflegekräften. Wenn die eine morgens da war und der nächste abends dann hingeht, guckt man einfach in das Profil online rein, jeder hat ein Mobiltelefon mit und kann das schnell abklären. Ein anderer Zeitfresser ist, wenn jemand krank war oder ist, ausfällt, dann musste die Pflegedienstleitung traditionellerweise immer alle abtelefonieren: "Frank, kannst du einspringen?". Wir haben jetzt ein Online Kommunikationssystem. Da postest du einmal und hast das gleich distribuiert an alle. Dieses Kommunikationssystem tut auch der Kultur sehr gut, weil die Leute treffen sich im Büro mal zum Schlüssel abholen, Kaffee trinken und so und sonst sind die auf Tour, jeder einzeln auf Tour, so dieser Team-Gedanke ist viel, viel besser, wenn du auch dieses Online-Forum hast, wo sich Leute treffen, austauschen, kurz Informationen austauschen, sich auch vorstellen, wenn jemand neu anfängt zu arbeiten, dann machen wir das nicht bei LinkedIn sondern in unserem Intranetund das sind alles Dinge, die sich anhäufen in der Zeit, wo am Ende, ganz viel Zeit gezeigt gespart werden kann und für den Job halt übrig bleibt es ist halt viel bequemer, auch Jetzt haben während der Corona Pandemie Menschen auf Balkonen geklatscht für die Pflegekräfte und ich glaube, wir alle haben danach realisiert, das ist eine schöne Geste, aber das ändert jetzt nichts. Was muss sich ändern, damit wir auch in zehn Jahren, damit meine Eltern noch Pflege bekommen von Menschen und nicht von Robotern sozusagen?

    [00:29:54] Katrin Alberding: Es ist die Politik ist da sehr langsam, auf Veränderungen einzugehen. Also man ruft immer sehr schnell "Digitalisierung". Wir sehen, wie schnell das geht am E-Rezept, was einfach nicht irgendwie wirklich los läuft. Wir haben sehr viele Ideen, was die Pfleger sowohl entlasten würde als auch was, was die Pflege besser machen würde, und das läuft alles sehr langsam, das umzusetzen.

    [00:30:15] Katrin Alberding: ich hatte jetzt gerade was, wo es mir noch mal richtig klar geworden ist wir hatten eine MDK überprüfung jetzt diese Woche. In einem unserer Betriebe. Und zwar ist das so, dass es den medizinischen Dienst der Kassen gibt, die kontrollieren die qualität der pflegedienste und in dem Zusammenhang habe ich mir noch mal diese ganze Check Liste angeschaut, was die alles kontrollieren und wonach sie uns bewerten, ob wir jetzt ein guter Pflegedienst sind oder ein befriedigender Pflegedienst, ne, kriegt man so diese Schulnoten.

    [00:30:42] Katrin Alberding: Aber die Punkte, die gar nicht kontrolliert werden oder bewertet werden ist zum Beispiel Digitalisierung. Wo ich denke: Echt jetzt? Ihr ruft nach Digitalisierung auf jeder Ecke, wir stecken da unheimlich viele Ressourcen rein. Dasselbe mit Firmenkulturen was machen wir eigentlich für die Mitarbeiter was, was wird noch oben drauf gehauen? Und die Preisdiskussionen mit den Kassen müssen daran festgehalten werden. Und auch die Qualität muss daran gemessen werden, wie viel wir Innovation auch reinbringen, und diese Innovation wird einfach nicht gewertschätzt oder vorangetrieben.

    [00:31:14] Katrin Alberding: Großes Beispiel davon ist, zum Beispiel die Versorgung zu Hause durch den durch den Hausarzt, also da da haben wir schon viel mit der Telemedizin versucht Das Problem ist der Der Hausarzt hat immer noch einen Bildschirm vor sich und kann nicht behandeln.

    [00:31:27] Katrin Alberding: Wir haben aber Pflegefachkräfte. die wirklich was tun können, die könnten Wunde zeigen, die könnten also während der der Arzt am am Bildschirm ist könnte man die Wunde zeigen, man könnte verarzten in der Zeit, man könnte Blutdruck messen, man könnte wirklich die Behandlung schon beginnen, während man mit dem Arzt spricht und man hätte nicht die Notwendigkeit, den Patient am Ende dann doch wieder in die Praxis zu mobilisieren, zu bringen, gerade auch bei gebrechlichen Menschen. Das ist ein Riesenaufwand, man hat hier die Infektionsgefahr dann dort vor Ort, warum geht das nicht? Es gibt kein Leistungs Komplex, dafür wird wir könnten es technisch wir uns von den Leuten her jeder hätte da Lust drauf, die Patienten würden das gerne in Anspruch nehmen. Der einzige Grund, warum es nicht geht, ist Regularien.

    [00:32:13] Marius Luther: Interessanterweise hat Sandro noch einen anderen Wunsch an die Politik nämlich bessere Kontrollen, mehr Kontrollen, damit die Pflegekräfte, die ihren Beruf ja eigentlich lieben, nicht an den Arbeitsbedingungen verzweifeln und dann das Berufsfeld verlassen.

    [00:32:28] Sandro Pé: Darauf hab ich Herrn Gröhe, den Gesundheitsminister von damals, auf dem Pflegetag vor laufender Kamera angesprochen, dass wir einfach stärkere Gesetze brauchen, dass wir stärkere Kontrollen brauchen. Ich habe selber schon mal bei einer Heimaufsicht angerufen, weil Dinge passiert sind, die in einer Einrichtung nicht passieren sollten, und es ist nichts passiert. Das ist kein Einzelfall! Ich bin ja in Social Media unterwegs und ich krieg so viele Nachrichten, wenn ich die mal alle vorlesen würde, dann würden Leute denken: "Ach du ..." Da passieren Sachen! Das habe ich ja selber erlebt! Ein Praktikant 12 Menschen wäscht. Ich selber, 12 Menschen, hochgradig Demenz-erkrankt. Heute würde ich sagen, das war grob fahrlässig, das. Nicht, weil ich schlecht gepflegt habe. Nein, ich hatte keine Ausbildung, ich hatte keine Erfahrung und ich habe Menschen gepflegt von 120 Kilo ,die Demenz-erkrankt sind, die hätten mir runterfallen können, was auch immer! Und ich selber in dieser Situation hab gedacht, ich mach was gutes! Ich selber! Mir wurde eingeredet, Sandro, du machst das gut!

    [00:33:31] Sandro Pé: Und ich krieg jetzt selber wieder Gänsehaut. So, Leute, das muss kontrolliert werden. Und wenn das in einem Heim nicht funktioniert, dann muss das Heim geschlossen werden. Ganz einfach, wie in der Gastronomie. Wenn du da etwas findest, was katastrophal ist, dann wird die Gastro geschlossen.

    [00:33:46] Marius Luther: Puh, echt starker Tobak, der mich nachdenken lässt und mich gleichzeitig zur letzten Frage bringt. Neben der Politik, von der sich Sandro wünscht, dass sie besser kontrollieren sollte, und von der Katrin erhofft, dass Digitalisierung nicht nur gefordert, sondern auch praktisch gefördert wird, frage ich mich: Was können wir tun, wir als Gesellschaft, jeder und jede einzelne von uns? Wie können wir die Pflege unterstützen, damit auch unsere Eltern noch die Pflege bekommen, die sie verdienen?

    [00:34:17] Katrin Alberding: Also was ganz, ganz schwierig ist es, wenn man sich so reinhängt und dann durch diesen ganzen Stress, der kreiert wird, auch noch negatives Feedback kriegt. Ich kann ein Beispiel von geben, also wir hatten ein Heim, was so richtig unter Wasser war, weil 24 Bewohner Covid hatten und alle Mitarbeiter. Die waren am Verzweifeln. Und die hatten nachgefragt, ob jemand Pflegekräfte zur Verfügung stellen kann. Wir haben das gemacht, also es haben sich fünf freiwillig bei uns gemeldet, sind da reingegangen für über eine Woche und haben das aufrecht erhalten und dort die Menschen gepflegt. Dann gab es aber einige Angehörige, die sehr verunsichert waren, sehr in Sorge waren, natürlich, da auch nicht rein durften, und das war noch so wirklich in der Höhe dieser Pandemie und die haben wirklich unsere Mitarbeiter kurz und klein gemacht und die sind gerade nur rein gekommen, um zu helfen. und dann oben drauf noch einen abzubekommen.

    [00:35:07] Katrin Alberding: Es war auch die Bundeswehr da, die durfte allerdings nicht viel machen, durfte die Patienten nicht anfassen, die durften nicht in die Räume rein, die durften nur Essen zubereiten, verteilen und vor vor die Räume stellen, und alles, was so am Patienten war, durften nur die Pflegekräfte machen.

    [00:35:22] Marius Luther: Und dann, nachdem das alles abgeschlossen war, wurde als erstes die Bundeswehr geehrt für ihren Einsatz, woraufhin ich auch wirklich an die Presse geschrieben habe und gesagt hab, das kann nicht euer Ernst sein, oder? Und genau diese Wertschätzung wünscht sich auch Sandro, denn er sagt: Pflege, das betrifft uns alle, und wir müssen bereit sein, dafür auch zu zahlen. Nur wir alle gemeinsam können es lösen.

    [00:35:45] Sandro Pé: Und wenn man sagt, ja okay, wie soll denn jetzt die der kleine Pflegedienst das bezahlen den Mitarbeitern? Da muss der Staat fördern. Da würde ich gerne, ich selber auch für andere mehr Steuern zahlen. Weil es geht hier um Menschen. Es geht hier vielleicht um mich und dich, du, wir können morgen pflegebedürftig sein. Meine Mama, mein Papa, mein Opa, Es ist ja nicht so, dass das uns nicht betrifft. Nee, morgen kann's soweit sein, bei wem auch immer, sogar bei meinen Kindern, so Und das ist der Punkt, der bewusst werden muss, und da kommt ja die bessere Bezahlung dann irgendwann zustande, weil man ja auch immer sagt, wo soll das Geld denn herkommen? Es muss von uns kommen.

    [00:36:24] Marius Luther: Und ganz zum Schluss hat Sandro noch eine kleine Anregung für unsere jungen Zuhörer und Zuhörerinnen, aus denen der Talentpool des nächsten Jahrzehnts kommen muss

    [00:36:34] Sandro Pé: Einfach mal mutig sein. Einfach mal Praktikum machen und reinschnuppern und einfach schauen, wie ist es eigentlich in diesem Beruf? Und diese ganz kleinen Dinge, die der dann mit bekommt, einfach mal für sich selber aufnehmen und nicht gleich, wenn er irgendwas erlebt hat, dann sagen, nee, das ist nicht für mich das das ist nicht so. Wenn er dieses Praktikum macht, kriegt er einfach so viel mit. Ob er sich für den Beruf entscheidet, das ist nochmal ne andere Sache. Aber er sieht einfach erstens, wie wichtig bei der Beruf ist. Das ist schon mal ganz wichtig. Deswegen find ich den Zivildienst gar nicht so schlecht, dass Menschen einfach mitbekommen, wie wichtig ist dieser Beruf?

    [00:37:11] Marius Luther: Das war sie, die erste Folge von "Unentbehrlich". Und ich finde, sie ist ihrem Namen gerecht geworden. Ich zumindest gehe mit einem ganz anderen Bild vom Pflegenotstand raus. Ich habe von Sandro und von Katrin gelernt, dass die Pflegedienste, die Pflegeeinrichtungen aus sich heraus schon viel tun können und nun auch tun müssen.

    [00:37:32] Marius Luther: Viel hat zu tun mit Wertschätzung, mit Führungskultur, mit Teamgeist, mit flexiblen Arbeitszeiten. Letztlich alles Themen, um ein attraktives Job-Produkt zu schaffen, auf das potenzielle Pflegekräfte Lust haben. Und was das Geld angeht, die Politik und die Kassen: Ja, wir brauchen mehr Geld für die Pflege. Aber Sandro und Katrin haben gesagt: Wir müssen das Geld auch besser einsetzen. Wir brauchen mehr Mut und mehr Raum für Innovation. Und wir müssen anders kontrollieren, was in den Pflegeeinrichtungen wirklich passiert.

    [00:38:05] Marius Luther: Last but not least gehe ich aber irgendwie auch total zuversichtlich aus diesem Podcast, Denn ich fand, Sandros positive Art, seine Liebe für diesen Beruf, die war wirklich ansteckend. Und die Innovationen von Kenbi haben gezeigt, dass Technologie Arbeitsplätze nicht vernichtet, sondern eigentlich die Arbeitsbedingungen besser macht.

    [00:38:25] Marius Luther: Jeder Zettel, den eine Pflegekraft nicht per Hand ausfüllen muss, ermöglicht ihr doch mehr Zeit mit dem Patienten und somit mehr Zeit für das, wofür sie diesen Beruf mal gewählt hat. Was seht ihr als Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege? Lasst uns das gerne diskutieren. Ihr findet mich auf LinkedIn als Marius Luther und ich freue mich auf eure Kommentare.

    [00:38:46] Marius Luther: Ich persönlich bin jetzt schon gespannt auf die nächste Folge, wenn wir über das Handwerk sprechen werden - und wie es für mich persönlich war, als ich im letzten Winter drei Wochen kalt duschen musste, weil wir niemanden gefunden haben, der unsere Heizung reparieren wollte. Wer dies hören möchte, abonniert den Unentbehrlich-Podcast bei Apple, Spotify oder auf www.unentbehrlich.co.

    [00:39:08] Marius Luther: Bis dahin, euer Marius.

Die Gäste in dieser Folge

Porträtfoto der Kenbi-Gründerin Katrin Alberding

Katrin Alberding

begann ihre Karriere als Investment-Bankerin in der Healthcare-Branche und baute über mehrere Jahre Fintech- und Consumertech-Startups auf. 2019 gründete sie zusammen mit Clemens Raemy und Bruno Pires das Pflegeunternehmen Kenbi, das 2021 eine Series A-Finanzierung über 23,5 Millionen Euro abschloss.

Porträtfoto von Sandro Pé, Altenpfleger, Autor und Influencer

Sandro Pé

ist Altenpfleger und seit Jahren eine der leidenschaftlichsten Stimmen aus der Pflege - mit 87.000 Followern auf Facebook und über 19.000 auf Instagram. Über seine Erfahrungen als Altenpfleger und seine Ideen gegen den Pflegenotstand hat er das Buch “Wir dürfen alte Menschen nicht allein lassen!” geschrieben

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Handwerkerinnen retten das Klima - aber es gibt zu wenige (mit Madita Brauer und Frank Voßloh)

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Die Idee in drei Minuten (Podcast-Trailer)